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2.1.1.2: Komplexere Übertragungsbeispiele

Man kann das Modell auch auf andere Formen der Informationsübertragung anwenden und dabei ähnliche Beobachtungen machen. So ist die Übertragung von Sprache durch Schrift verhältnismäßig wenig anfällig für Schreibfehler, da in vielen Fällen durch die Fehler keine Wörter der Sprache entstehen; und selbst wenn das der Fall sein sollte, ist in vielen Fällen durch den Satzzusammenhang klar, dass es sich um einen Tippfehler handelt. Gefährlich sind Tippfehler vor allem bei bisher unbekannten Namen, da hier keine vorgegebene Menge von zulässigen Wörtern existiert, und bei Zahlen, da jede Ziffernfolge eine zulässige Zahl ergibt. Das Risiko von Schreibfehlern bei Zahlen lässt sich umgehen, indem man sie als Wörter ausschreibt (wie man es bei wichtigen Dokumenten, wie Schecks, tut). Hier erreicht man wieder die geringere Fehleranfälligkeit (bzw. eine größere Sicherheit vor vorsätzlichen Änderungen) durch die stärkere Einschränkung der zulässigen Wörter. Dafür nimmt die Anzahl der benötigten Zeichen drastisch zu.

Bei der Datenübertragung hatten wir angenommen, dass die übertragene Information beim Empfänger genauso ankommen soll, wie sie der Sender abschickt. Das muss nicht immer der Fall sein. In machen Situationen werden Übertragungsformate verwendet, die von einer komplexen Ausgangssituation nur wenige verschiedene Informationen übertragen können, diese dafür aber umso sicherer übertragen und unterschieden werden sollen. Das ist zum Beispiel bei vielen Notfallmeldesystemen der Fall. Wenn ein Schiff SOS funkt oder rote Raketen abschießt, wird damit nur gesagt, dass ein Notfall eingetreten ist, aber keine genauere Information übermittelt, welche Art von Notfall vorliegt. Um die wichtigste Information möglichst schnell und einfach abzuschicken, wird darauf verzichtet, genauere Informationen zu senden. Eine Autohupe liefert i. a. wenig Information, sie wird eher eingesetzt, um anzuzeigen, dass überhaupt eine Information übertragen werden soll. Dabei wird durch die Art des Hupens allenfalls signalisiert, ob es sich um eine Begrüßung, einen Dank oder eine Warnung handelt. In diesen Fällen wird also die mögliche Anzahl verschiedener Nachrichten klein gehalten und damit zugunsten der Sicherheit und Schnelligkeit der Übertragung auf die Übertragung großer Informationsmengen verzichtet. Dadurch ist die Information eher unspezifisch. Es kann auch andere Konstellationen geben, in denen der Preis für eine genaue Darstellung der Situation zu hoch ist, und deshalb einfache und unspezifische Informationenen versandt werden. Diese unspezifische Information sollte dann aber immer so allgemein sein, dass eine mögliche Reaktion des Empfängers auch der spezifischen Situation des Senders gerecht wird.

Auch in anderen Fällen werden sehr kurze Nachrichten verwendet, ohne dass sich dabei aber die Gesamtmenge der Information verringert. Ein Literaturhinweis in einem Buch oder einem Aritkel ist zunächst ein extrem verkürzter Code für die zitierte Quelle. Er wird zunächst im Literaturverzeichnis in einen ausführlicheren Code umgesetzt, mit dessen Hilfe dann die Originalquelle beschafft werden kann. Betrachtet man diesen Zugriff auf vorhandenes Wissen als Teil der Verarbeitung beim Empfänger, so ist mit dem kurzen Code die vollständige Quelle übermittelt worden. Häufig gibt aber schon der Titel im Literaturverzeichnis einigen Aufschluss über den Inhalt der Quelle. In diesem Fall gibt sich der Empfänger mit einer sehr viel gröberen Darstellung des referenzierten Inhalts zufrieden. Ähnliches gilt für alle Systeme, bei denen Objekte durch Nummern, Signaturen oder andere systematische Bezeichnungen identifiziert werden, wie z. B. Klassifikationssysteme, wie sie in Abschnitt 3.3.1 beschrieben werden.

Ein anderes Beispiel einer Informationsübertragung ist ein Vortrag oder eine Vorlesung. Ziel ist es, das Wissen der Vortragenden auf die Zuhörenden zu übertragen. Diese Situation kann auf viele verschiedene Weisen auf das Modell aus Abbildung _8_ abgebildet werden: Man kann annehmen, dass das Wissen in den mentalen Strukturen der Teilnehmenden vorliegt und die Verbalisierung bzw. das "Verstehen" bereits zum Übertragungskanal gehört. Man kann aber auch annehmen, dass die Repräsentation auf der Ebene der gesprochenen Sprache liegt und der Übertragungskanal lediglich die Fortpflanzung der Schallwellen zwischen den Beteiligten ist. Man könnte auch eine ganze Reihe von Transformationen annehmen, die über verschiedene Repräsentationsformate vom Wissen über die Sprache zum Wissen führt.

Dieses Beispiel illustriert gleichzeitig ein weiteres Problem, das sich bei der Modellierung von Informationssystemen ergibt: die Tatsache, dass die Repräsentation von Wissen häufig nicht unmittelbar zugänglich ist: Auf das Wissen einer Person kann nur über die Reaktionen auf äußere Reize wie z. B. Fragen geschlossen werden.


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