Titelblatt des Buchs
Reginald Ferber Information Retrieval
Suchmodelle und Data-Mining-Verfahren für Textsammlungen und das Web

Position im Angebot Information Retrieval -> Grundlagen und klassische IR-Methoden -> Grundlagen -> Informationsübertragung
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1.2.1.2: Komplexere Übertragungsbeispiele

Man kann das Modell auch auf andere Formen der Informationsübertragung anwenden und dabei ähnliche Beobachtungen machen. So ist die Übertragung von Sprache durch Schrift verhältnismäßig wenig anfällig für Schreibfehler, da in vielen Fällen durch die Fehler keine Wörter der Sprache entstehen. Und selbst wenn das der Fall sein sollte, ist in vielen Fällen durch den Satzzusammenhang klar, dass es sich um einen Tippfehler handelt. Übertragungsfehler können also auf zwei Ebenen korrigiert werden. Gefährlich sind Tippfehler vor allem bei bisher unbekannten Wörtern oder Zeichenketten wie Namen, da hier keine vorgegebene Menge von zulässigen Wörtern existiert, und bei Zahlen, da jede Ziffernfolge eine zulässige Zahl ergibt. Das Risiko von Schreibfehlern bei Zahlen lässt sich verringern, indem man sie als Wörter ausschreibt (wie es bei wichtigen Dokumenten, z.B. Schecks, üblich war). Hier erreicht man wieder die geringere Fehleranfälligkeit (bzw. eine größere Sicherheit vor vorsätzlichen Änderungen) durch die stärkere Einschränkung der zulässigen Wörter. Dafür nimmt die Anzahl der benötigten Zeichen drastisch zu.

Bei der Datenübertragung war angenommen worden, dass die übertragene Information beim Empfänger genauso ankommen soll, wie sie der Sender abschickt. Das muss nicht immer der Fall sein. In machen Situationen werden Übertragungsformate verwendet, die von einer komplexen Ausgangssituation nur wenige verschiedene "Signale" übertragen können. Diese sind dafür aber umso sicherer und klarer unterscheidbar. Das ist z.B. bei vielen Notfallmeldesystemen der Fall: Wenn ein Schiff SOS funkt oder rote Raketen abschießt, wird damit nur gesagt, dass ein Notfall eingetreten ist, aber keine genauere Information übermittelt, welche Art von Notfall vorliegt. Um die wichtigste Information möglichst schnell und einfach abzuschicken, wird darauf verzichtet, genauere Informationen zu senden. Auch die Hupe eines Autos liefert im Allgemeinen wenig Information. Sie wird eher eingesetzt, um anzuzeigen, dass überhaupt eine Information übertragen werden soll. In diesen Fällen wird also die mögliche Anzahl verschiedener Nachrichten zu Gunsten der Sicherheit und Schnelligkeit der Übertragung klein gehalten.

In anderen Fällen werden auch sehr kurze Nachrichten verwendet, jedoch ohne dass sich dabei die Gesamtmenge der Information verringert. Ein Literaturhinweis in einem Buch oder einem Artikel ist zunächst ein extrem verkürzter Code für die zitierte Quelle. Er wird im Literaturverzeichnis in einen ausführlicheren Code umgesetzt, mit dessen Hilfe dann die Originalquelle beschafft werden kann. Betrachtet man diesen Zugriff auf vorhandenes Wissen als Teil der Verarbeitung beim Empfänger, so ist mit dem kurzen Code die vollständige Quelle übermittelt worden. Dabei sind die verschiedenen Komprimierungs- oder Abstraktionsstufen bei der Verarbeitung (oder Transformation) auf Empfängerseite wichtig: Werden Namen der Autorinnen oder Autoren und Veröffentlichungsjahr als Kürzel verwendet, sind damit bereits erste Informationen über den Inhalt vermittelt. Der Titel im Literaturverzeichnis gibt schon einigen Aufschluss über den Inhalt der Quelle. In vielen Fällen ist der Empfänger mit dieser groben Darstellung des referenzierten Inhalts bereits zufrieden. Wenn nicht, kann in einer Literaturdatenbank eine genauere Beschreibung abgerufen werden, bevor mit dem vollständigen Artikel oder Buch die gesamte Information besorgt wird. Die Abstraktionsstufen sind also nicht nur notwendige Verarbeitungsschritte, sondern ermöglichen es auch, frühzeitig zu entscheiden, welcher zusätzliche Aufwand für den jeweiligen Literaturnachweis betrieben werden soll.

Ein anderes Beispiel einer Informationsübertragung ist ein Vortrag oder eine Vorlesung. Ziel ist es, das Wissen der Vortragenden auf die Zuhörenden zu übertragen. Diese Situation lässt sich auf verschiedene Weisen auf das Modell aus Abbildung 8 abbilden: Man kann annehmen, dass das Wissen in den mentalen Strukturen der Teilnehmenden vorliegt und die Verbalisierung bzw. das "Verstehen" bereits zum Übertragungskanal gehört. Man kann aber auch annehmen, dass die Repräsentation auf der Ebene der gesprochenen Sprache liegt und der Übertragungskanal lediglich die Fortpflanzung der Schallwellen zwischen den Beteiligten ist. In einem erweiterten Modell lässt sich auch eine ganze Reihe von Transformationsschritten benennen, die über verschiedene Repräsentationsformate vom Wissen über die Sprache zum Wissen führt.

Dieses Beispiel illustriert gleichzeitig ein weiteres Problem, das sich bei der Modellierung von Informationssystemen ergibt: Die Repräsentation von Wissen ist häufig nicht unmittelbar zugänglich. Auf das Wissen einer Person kann nur über die Reaktionen auf äußere Reize wie Fragen geschlossen werden - eine direkte Beobachtung ist nicht möglich.

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Dieser Abschnitt und seine Unterabschnitte
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1.2.1.2Komplexere Übertragungsbeispiele

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Diese HTML-Datei wurde am 17-11-2003 erzeugt.