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2.2: LernenIn der Psychologie bezeichnet man Lernen als eine Veränderung von Verhaltensdispositionen durch Erfahrung. Man spricht von Verhalten und nicht von Wissen, weil nur Verhalten beobachtet werden kann: Wissen kann nur durch Verhalten für andere manifest werden. Man spricht von Verhaltensdisposition, also der Fähigkeit oder Möglichkeit, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, weil ein Lernvorgang auch stattfinden kann, ohne dass das entsprechende Verhalten direkt gezeigt wird. Der Einfluss von Erfahrung grenzt Lernen von Vorgängen wie Reifung oder Entwicklung ab. Die (mehr oder weniger) dauerhafte Veränderung der Verhaltensdisposition beruht auf Veränderungen im Gedächtnis bzw. der Gedächtnisinhalte; daher ist Lernforschung immer eng mit Gedächtnisforschung verknüpft. Lernen kann also dadurch charakterisiert werden, dass sich eine Verhaltensdisposition, d.h. die Fähigkeit oder Möglichkeit, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, durch einen äußeren Einfluss ändert, ohne dass es sich dabei primär um eine mechanisch-körperliche Veränderung handelt. Das kann z.B. die Fähigkeit sein,
Umgangssprachlich bezeichnet man das Ergebnis eines Lernvorgangs beim Menschen als
Die Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI) bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen diesen beiden Ansätzen. Häufig werden die Aufgaben und insbesondere die erwarteten Lösungen der Aufgaben zwar am menschlichen Verhalten orientiert, dann aber eher ad hoc formuliert und nicht empirisch ermittelt. Es werden Modelle entwickelt, die einzelne Phänomene z.B. aus dem Bereich des Sprachverstehens so simulieren, wie sie die Untersuchenden verstehen. Sprache - insbesondere ihr syntaktischer Aspekt - ist ein beliebtes Forschungsgebiet, weil es dort anerkannte Regeln gibt. Diese Regeln werden in der Umgangssprache allerdings häufig missachtet - trotzdem klappt die Verständigung im Allgemeinen ziemlich gut (oft sogar besser, als wenn sich die Sprechenden an die Regeln halten). Genau diese Fähigkeit der "natürlichen Intelligenz", mit fehlerhaften, ungenauen und vagen Objekten umzugehen, ist aber eines der Hauptprobleme der (symbolorientierten) KI. Um dieses Problem zu untersuchen, kann man die verschiedenen Arten des Lernens betrachten und versuchen, die Prozesse nachzubilden, von denen man vermutet, dass sie die Robustheit der "natürlichen" Intelligenz gegenüber "Inkonsistenzen", "Vagheit" und "Fehlern" bewirken. Die Definition und die angeführten Beispiele zeigen zunächst, dass Lernen ein sehr breiter Begriff ist. Weiter zeigen sie, dass Lernvorgänge vor allem durch die gestellten Aufgaben (das Lernmaterial) und die erwarteten bzw. beobachteten Verhaltensänderungen beschrieben werden. Über die Änderungen im lernenden System können nur Modellannahmen entwickelt und experimentell überprüft werden, sie können in der Regel nicht direkt beobachtet werden. Die zu prüfenden Modelle können von einfachen Reiz-Reaktions-Verknüpfungen (wie beim klassischen Konditionieren) bis hin zu komplexen Informationsverarbeitungsmodellen reichen. In diesem Sinn kann man Lernprozesse unter einem Input-Output-Schema betrachten, also die Frage stellen: Welche Erfahrungen führen zu welchen Verhaltensdispositionen? Nach dieser Fragestellung ist der einfachste Fall das Lernen eines konkreten Verhaltens durch Üben, also z.B. wenn Menschen lernen Fahrrad zu fahren, einen Stab zu balancieren und die Übersetzungen von Wörtern einer Fremdsprache zu nennen, oder wenn Ratten lernen, ein Labyrinth schnell zu durchlaufen: Es wird das Verhalten geübt, das auch abgeprüft wird. Die nächst komplexere Aufgabe wäre nach diesem Schema das verallgemeinernde Lernen. Es werden Beispiele wahrgenommen, die den später zu lösenden Aufgaben zwar ähnlich, aber nicht mit ihnen identisch sind, die also eine Generalisierung verlangen. Solche Aufgaben sind z.B. das Lösen bestimmter Arten von Rechenaufgaben oder das Kategorisieren von Objekten anhand von Beispielen, die untereinander ähnlich sind. Während man bei solchen Aufgaben noch versuchen kann, sie mit einfachen Reiz-Reaktions-Verknüpfungsmodellen zu simulieren, müssen für andere Aufgaben komplexere Informationsverarbeitungsmodelle angenommen werden. Mit solchen Modellen kann man Aufgaben angehen, bei denen Regeln oder Theorien gelernt werden, die dann an Beispielen überprüft werden. Schwieriger erscheinen die Aufgaben, bei denen Beispiele als Lernmaterial vorgegeben werden und eine "Theorie" - also z.B. Regeln, die aus Beispielen gefolgert werden müssen - abgeprüft wird. Diese Aufgaben erfordern die Konstruktion eines Modells oder einer Theorie. Abbildung 48: Deduktives und probabilistisches SchließenAufgrund dieser theoretischen Überlegungen kann man Rückschlüsse auf die Lernvorgänge versuchen. So könnte man annehmen, dass beim Lernen von Beispielen keine Modellbildung notwendig ist und deswegen - nach dem Prinzip des minimalen Aufwands - auch nicht stattfindet. Empirische Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass diese Annahme so nicht haltbar ist. So lernen z.B. Ratten schneller, ein Labyrinth zu durchschwimmen, wenn sie vorher gelernt haben, es zu durchlaufen, obwohl die motorischen Abläufe bei Laufen und Schwimmen ganz verschieden sind. Auch Versuchspersonen geben auf Befragen im Allgemeinen an, dass sie bei Lernexperimenten, in denen Wortpaare gelernt werden mussten, nach Regeln gesucht haben, nach denen die Paare zusammengestellt waren. Das heißt, dass sie Verallgemeinerungen vorgenommen haben, ohne dass das explizit von ihnen verlangt worden wäre. Vermutlich hat es sich im Laufe der Evolution als nützlich erwiesen, Regeln, Modelle oder Theorien über die Umwelt zu bilden, um deren Verhalten bzw. die Konsequenzen des eigenen Verhaltens in ihr vorherzusagen. Wie diese Verarbeitung der Umwelteinflüsse allerdings aussieht und ob sie mit den Regeln der mathematischen Logik, die zum Teil die gleiche Terminologie verwendet wie die Alltagssprache, übereinstimmt, ist dadurch noch nicht geklärt. Tatsächlich akzeptieren z.B. ca. 80% der befragten Versuchspersonen eine logisch falsche, aber probabilistisch einsichtige Folgerung der Art, wie sie in Abbildung 48 gezeigt ist. Die Untersuchung der Prozesse, die an der Lösung dieser Aufgaben beteiligt sind, ist Thema der Kognitions- oder Gedächtnispsychologie bzw. der Cognitive Science. Im KDD werden aber im Allgemeinen nicht dieselben Methoden und Maßstäbe verwendet wie in diesen Disziplinen, sondern es werden lediglich allgemeine Prinzipien und Modelle übernommen. 2.2.1: Lernen als Informationsverarbeitung2.2.2: Automatisches Lernen aus Beispielen | ||||||||||||
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